Name | Salomon Sulzer (Levi) | |
Residence | von 1804 bis 1817 | Hohenems, Vorarlberg, Österreich ![]() |
Geboren | 18 Mrz 1804 | Hohenems, Vorarlberg, Österreich ![]() |
Geschlecht | männlich | |
Education | vor 1819 | Karlsruhe, Baden-Württemberg, Deutschland ![]() |
Education | vor 1819 | Endingen (Oberendingen), Aargau, Schweiz ![]() |
Occupation/Beruf | Kantor, Chorleiter, Komponist | |
Residence | von 1820 bis 1826 | Hohenems, Vorarlberg, Österreich ![]() |
Residence | von 1826 bis 1890 | Wien, Wien, Österreich ![]() |
Lebenslauf | Salomon Sulzer wurde am 18 März 1804 in Hohenems geboren, als Sohn des Kaufmanns Josef Jakob Sulzer. Salomon Sulzer sollte Nachfolger seines Vaters werden, der ein gutgehendes Handelshaus besaß. Doch wie eine später oft kolportierte Legende besagt, wäre Sulzer 1811 beinahe im Hohenemser Emsbach ertrunken. Dass dieses Unglück glimpflich ausging, soll Anlass dafür gewesen sein, dass die Familie gelobte, Sulzer zum Kantor oder Rabbiner ausbilden zu lassen. 1817 wurde die Stelle des Kantors in der jüdischen Gemeinde Hohenems frei und die Familie drängte auf eine Bewerbung. Das Argument, er sei noch zu jung - Sulzer war gerade 13 Jahre alt - wurde mit dem Hinweis entkräftet, dass er die Bar Mitzwa abgelegt habe und somit kein Kind mehr sei. Doch seine Bewerbung kam nicht zum Zug, zunächst sollte Sulzer eine gründliche Ausbildung erfahren. Sulzer wurde Schüler Rabbi Lippmans. 1818 reiste Sulzer mit seinem Lehrer durch Frankreich. Nach der Rückkehr ging er für ein Jahr nach Karlsruhe, um Musik zu studieren. Nach diesen Studienaufenthalten in Karlsruhe und Frankreich erhielt der erst Sechzehnjährige schließlich 1820 die Kantorenstelle an der Hohenemser Synagoge. Neben seinen Amtspflichten gründete er einen Chor und ein kleines Orchester. In dieser Zeit unterstützte Sulzer einige seiner Musiker finanziell. Da aber das Kantorengehalt ziemlich karg bemessen war, wird angenommen, dass ihn seine Familie äußerst tatkräftig unterstützt hat. Der Ruf seines musikalischen Könnens drang bis nach Wien. 1826 wurde Sulzer an den im Jahr zuvor neu errichteten Wiener Stadttempel als Kantor berufen, wo er gemeinsam mit Prediger Isaak Noah Mannheimer den 'Wiener Ritus' begründete - eine gemäßigte Art der Reform, die sowohl von Erneuerern als auch von Traditionalisten angenommen wurde. Auch in Wien setzte Sulzer sein Studium fort, unter anderem Komposition bei Ritter Ignaz von Seyfried. 1827 heiratete Salomon Sulzer in Wien Fanni Hirschfeld aus Hohenems. Mit ihr hatte er 16 Kinder: Maria (* 1828), Hermann (* 1829), Julius (* 1830), Hermine (* 1831), Henriette (* 1832), Klara (* 1834), Bertha (* 1835), Rosalie (* 1836), Caroline (* 1837), Theodor (* 1839), Sophie (* 1840), Rachel (* 1843), Auguste (* 1844), Carl (* 1846), Josef (1850) und Franziska (* 1856). Salomon Sulzer galt bald auch außerhalb des Wiener Judentums als markante Persönlichkeit. Sein wunderbarer Bariton war weit über die Stadtgrenzen bekannt und zu seinen begeisterten Bewunderern und Förderern zählten die Komponisten Franz Schubert, Franz Liszt, Giacomo Meyerbeer, Robert Schumann und Niccolo Paganini, die des öfteren den Wiener Stadttempel besuchten, um Sulzer zu hören. Franz Schubert vertonte für ihn den 92. Psalm, eine Komposition, die Sulzer später in sein Buch Schir Zion aufnahm. Sein Ruhm verbreitet sich auch in Deutschland. 1838 trägt der Königsberger Kantor Hirsch in Berlin u.a. Sulzers Kompositionen vor. Der 17jährige Musiker Louis Lewandoski muss nun für den Berliner Kantor Lion Sulzers Noten in Violinschlüssel transkribieren, damit Lion die Kompositionen Sulzers mit seinem Sängern einstudieren kann. Wenig später wird Lewandoski Dirigent des vierstimmigen Synagogenchors für die Aufführung von Sulzers Werken in Berlin und beginnt seine eigene Karriere als nach Sulzer bedeutendster Komponist jüdischer geistlicher Musik des 19. Jahrhunderts. Sulzer selbst verzichet 1839 auf eine mögliche Karriere als Konzertsänger, da es in der Israelitischen Kultusgemeinde Unmut über seine weltlichen Aktivitäten gab. Dennoch tritt er vereinzelt bei Konzerten in Erscheinung, so 1846 mit Schuberts "Allmacht", begleitet von Franz Liszt. Schon 1844 wird er als Professor für Gesang an das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde berufen. Dieses Lehramt hat er bis 1847 inne. Gemeinsam mit Rudolf Schachner leitet er die Liedertafel der akademischen Legion. Das kompositorische Hauptwerk Sulzers, das auch seinen Ruf als Reformator des Synagogengesangs begründete, ist das in zwei Teilen erschienene 'Schir Zion' (Gesang Zions) mit zum überwiegenden Teil selbst komponierten Werken für den gottesdienstlichen Gebrauch. Die neuen Kompositionen wurden zum ersten Mal mit vierstimmiger Chorbegleitung geschrieben und beeinflussten den Gebetsstil in vielen Synagogen. Diese Kompositionen prägen den Synagogengesang in vielen Gemeinden bis in die heutige Zeit. Salomon Sulzer steht so gemeinsam mit Louis Lewandowski und Samuel Naumbourg für die Begründung des modernen Berufsstands des jüdischen Kantors im 19. Jahrhunderts, der sich nicht nur als musikalisch improvisierender Vorbeter sondern als professionell ausgebildeter Sänger, Chorleiter und Komponist verstand. Sulzer war viele Jahre Vorsitzender des von ihm mitbegründeten Österreichich-ungarischen Kantorenverbandes. Daneben war Sulzer als Komponist weltlicher Lieder tätig. Neben Revolutionsliedern ("National-Garden_Lied", "Lied der Todtenkopflegion") vertonte er unter anderem Gedichte von Goethe. Als am 13. März 1848 auf dem Friedhof auf der Schmelz in Wien die Opfer des Militäreinsatzes gegen die Revolution bestattet wurden, nahm Salomon Sulzer, gemeinsam mit einem katholischen Priester, einem protestantischen Pfarrer und dem Prediger der Wiener Synagoge, Isak Noa Mannheimer, an den Beerdigungsfeierlichkeiten teil. Ein damals unerhörtes Beispiel einer ökumenischen Totenfeier. Als Salomon Sulzer 1866 sein Wiener Amtsjubiläum feierte, wurde er auch in New York bejubelt. So meldete die Zeitschrift "Die Neuzeit" am 20. Januar 1866: "Was dem Kaiser Napoleon nicht gelingen will, die Sympathien Amerikas nämlich für sich zu gewinnen, das hat der König der Kantoren, der Ober Cantor der Wiener Gemeinde, oder, wie ihn ein hiesiges Journal nennt: 'Professor Sulzer, Leading Chasan of Europe,' erreicht." Der Kantor war zur Kultfigur geworden, der von seinen Zeitgenossen nur noch in hymnischen Superlativen beschrieben wurde. Im Alter äußerte Sulzer in einem Brief an einen Hohenemser Freund den Wunsch, seine „Hülle im heimatlichen Boden bei meinen Vätern ruhen und rasten zu lassen!! Da wäre oben in der Mitte der Mauer ein passendes Plätzchen mit hübscher Aussicht, ein Wallfahrtsort für meine Nachkommen und vielleicht für so manchen Verehrer des einstigen Barden Jehovah’s ...“ Sein Wunsch, in Hohenems beerdigt zu werden, ging allerdings nicht in Erfüllung. Sulzer starb am 17. Januar 1890 und wurde in Wien, in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof, begraben. Seine synagogale Musik umrahmt auch heute noch die Gottesdienste am Wiener Stadttempel, und im angelsächsischen Sprachraum gehört sie zum festen Repertoire zahlreicher Synagogen. In einer pathetischen Todesanzeige auf ihn hieß es: „Von tiefem Schmerze erfüllt, geben die Unterzeichneten im eigenen Namen und im Namen aller Verwandten Nachricht von dem Ableben ihres geliebten Vaters, Schwiegervaters, Groß- und Urgroßvaters, des Herrn Salomon Sulzer, Oberkantor i.P. der Wiener israelitischen Kultusgemeinde, Bürger ad honores der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien, Ritter des kaiserlich österreichischen Franz Josefs-Ordens, Offizier des ottomanischen Medschidje-Ordens, Besitzer der großen österreichischen goldenen, der großen und kleinen goldenen russischen Medaille und der Medaille vom Herzoge Max in Bayern für Kunst und Wissenschaft, emeritierter Professor des Konservatoriums in Wien, Ehrenmitglied, der Reale Academia di S. Cecilia in Rom und anderer gelehrter Gesellschaften etc. etc., welcher Freitag, den 17. Jänner 1890, um 11 Uhr Nachts, im 86. Lebensjahre sanft entschlafen ist...“ Der Verein des Jüdischen Museums Wien veröffentlichte schon zehn Jahre nach seinem Tod einen Aufruf "Sulzer-Reliquien" für die Sammlung des Museums einzureichen. Literatur: Hanoch Avery (Hrsg.): Kantor Salomon Sulzer und seine Zeit. Thorbecke, Sigmaringen 1985, ISBN 3-7995-4063-6. Eduard Kulke: Salomon Sulzer, Professor und Oberkantor. Biographische Skizze. Herzfeld & Bauer, Wien 1866. Bernhard Purin (Red.): Salomon Sulzer. Kantor, Komponist, Reformer. Land Vorarlberg, Bregenz 1991, ISBN 3-9500043-0-0 (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung). Thomas Albrich, "Oberkantor Salomon Sulzer: Sein Leben und seine Zeit", in: Thomas Albrich (Hg.), Von Salomon Sulzer bis "Bauer & Schwarz". Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 2009, S. 11-41. Tina Frühauf: Salomon Sulzer. Reformer, Kantor, Kultfigur. Berlin 2012. | |
Gestorben | 17 Jan 1890 | Seitenstettengasse 4, Wien, Wien, Österreich ![]() |
Begraben | 20 Jan 1890 | Zentralfriedhof, Wien, Wien, Österreich ![]() |
Notizen |
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Personen-Kennung | I1535 | Hohenemser Genealogie | Hohenemser Nachkommen, Hohenemser Recherche |
Zuletzt bearbeitet am | 7 Jan 2019 |
Vater | Josef Jakob Sulzer (Levi), geb. 1758, Hohenems, Vorarlberg, Österreich ![]() ![]() | |
Mutter | Fanny Mendelsohn (Levi), geb. 1768, Hohenems, Vorarlberg, Österreich ![]() ![]() | |
Verheiratet | 1788 | |
Familien-Kennung | F76 | Familienblatt |
Familie | Fanny Hirschfeld (Levi), geb. 05 Jul 1809, Hohenems, Vorarlberg, Österreich ![]() ![]() | |||||||||||||||||||||||||||||||||
Verheiratet | 25 Jun 1827 | Wien, Wien, Österreich ![]() |
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Kinder |
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Zuletzt bearbeitet am | 3 Jan 2011 | |||||||||||||||||||||||||||||||||
Familien-Kennung | F168 | Familienblatt |
Ereignis-Karte |
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Pin-Bedeutungen | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Fotos | ![]() | Salomon Sulzer, um 1880 Salomon Sulzer, um 1880 |
![]() | Salomon Sulzer, um 1830 Salomon Sulzer, um 1830 | |
![]() | Salomon Sulzer, um 1840 Salomon Sulzer, um 1840 | |
![]() | Salomon Sulzer Salomon Sulzer |
Dokumente | ![]() | Todesanzeige für Salomon Sulzer, 1890 Todesanzeige für Salomon Sulzer Neue Freie Presse, Wien, 18.1.1890 |
![]() | Salomon Sulzer
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1901 "Zu unserem Bilde. Der berühmteste Kantor, den die Synagoge im 19. Jahrhundert aufzuweisen hatte, war Salomon Sulzer, Oberkantor der israelitischen Gemeinde und Professor am Musikkonservatorium in Wien. Dieser große Reformator des Synagogengesanges war als Sänger sowohl, wie als Komponist von hervorragender Bedeutung. Durch seine in Wien (1845-1866) in zwei Bänden veröffentlichen gottesdienstlichen Gesänge 'Schir Zion', die sich in allen Synagogen einbürgerten, hat er sich als ein Pfadfinder voll Geschmack und hoher Begabung bekundet. Am 27. Dezember 1890, anlässlich der 50-jährigen Jubelfeier seiner amtlichen Tätigkeit, erhielt er das Prädikat Professor. Wie volkstümlich dieser Meister war, beweist schon der Umstand, dass selbst anlässlich der Wiederkehr seines Todestages am 20. Januar 1900 die 'Gesellschaft für Sammlung und Konservierung von Kunst- und historischen Denkmälern des Judentums' in Wien eine Gedenkfeier seinen Manen zu Ehren veranstaltete, die von der Elite der geistigen Aristokratie besucht war und wobei der berühmte Schauspieler Adolf Sonnenthal die Gedenkrede hielt." | |
![]() | Salomon Sulzer
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit", 19. Dezember 1901
2. Teil Salomon Sulzer Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit", 19. Dezember 1901 2. Teil | |
![]() | Erinnerungen an Salomon Sulzer
Von Ludwig August Frankl
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", 15. Januar 1891 "Erinnerungen an Salomon Sulzer Von Ludwig August Frankl Am 17. d. Mts. ist es ein Jahr, daß Salomon Sulzer zur Erde bestattet wurde. Er war eine Stimme seines Volkes, denn nicht in dem Tempel in Wien allein wurde sie über ein halbes Jahrhundert vernommen, seine 'Zionsgesänge' ertönten in allen jüdischen Gotteshäusern der Erde, in denen sie nicht verhallen werden. Seine mächtige, durch Kunst vollendete Stimme erschütterte, erhob und entzückte aber auch nicht allein seine Glaubensgenossen. Der Erzbischof und Patriarch von Venedig, der auch als Dichter berühmte Ladislaus Pyrker, unterließ es nicht, wenn er nach Wien kam, Sulzer zu besuchen, um ihn Lieder singen zu hören, namentlich aber die Beethoven'sche 'Allmacht', damit er, nach seiner Äußerung 'zu tiefer Andacht gestimmt werde'. Franz Schubert, der unsterbliche Liederkomponist, veranlaßte ihn, unter anderen Liedern auch den von ihm komponirten 'Wanderer' vorzutragen, was Sulzer auf die Bitte Schubert's dreimal hintereinander wiederholen mußte. 'Jetzt erst', sagte Schubert, 'verstehe ich meine eigene Musik und was ich gefühlt habe, als ich die Worte: Ich wandre still, bin wenig froh, Und immer fragt der Seufzer, wo? betont habe. Franz Liszt, nachdem er an einem Freitag Abend Sulzer im Tempel gehört hatte, kam in seine Wohnung, um ihn zu bitten, ihm echt nationale altjüdische Weisen vorzusingen. 'Man versinkt,' äußerte Liszt, 'in einem Abgrund von Melodien, wenn man diesen Sänger hört.' Nikolaus Lenau, der Dichter, geniale Geiger und intensive Musikkenner, schrieb in einem mir vorliegenden, vom 14. März 1836 datirten Briefe wie folgt: 'Mein Leben ist jetzt ganz kunstbewegt. Fast kein Tag vergeht, der mir nicht irgend einen herrlichen Genuß bringt. So hörte ich heute Abends den Vorsänger der hiesigen Synagoge, Sulzer, der sehr wahrscheinlich die schönste Stimme in Deutschland hat. Meine vom Stuttgarter Hofschauspieler Schmidt komponirten 'Schilflieder' waren mir sehr willkommen für diesen herrlichen Sänger.' Auch die berühmten Sänger der italienischen Hofoper kamen um Sulzer zu hören. Sie suchten ihn in ihrer Bewunderung zu verlocken, sich der Bühne zu widmen. In der ihm eigenen schalkhaft humoristischen Weise erwiderte Sulzer: 'Was möchte Gott dazu sagen?' Aber seine unvergleichlich schöne Stimme war es wohl nicht allein, was die italienischen Sänger bestimmte, ihn für die Bühne zu gewinnen. Sein Vortrag war ein eminent dramatischer. Man verstand ihn, wenn ihn auch ein der Sprache Unkundiger hörte. Seine Phantasie war nicht ohne schauspielerische Begabung. Zorn und Demuth, Andacht und Zerknirschung hallten nicht allein in seinem Gesange wieder, sie spiegelten sich in seinen Gesichtszügen und gaben sich in seiner ganzen Bewegung kund. Man glaubte ihm, daß er selbst immer wieder, wenn er oft Gesungenes wiederholte, in der innersten Seele erschüttert sei. Seine Brust war eine Harfe, durch deren Saiten ein Sturm der Begeisterung brauste. - Auch die regierende Kaiserin Carolina Augusta wünschte ihn zu hören und forderte ihn auf, in einem zum Besten der grauen Spitalsschwestern von ihr patronisirten Konzerte mitzuwirken. Als Sulzer erklärte, es hänge dies von der Erlaubnis seines Synagogen-Vorstandes ab, ließ die Kaiserin an diesen den Wunsch aussprechen. Der unvergessene Erfinder des ersten Tempel-Gottesdienstes in Österreich, der kaiserliche Hofjuwelier M.L. Biedermann, hatte den Muth, den Wunsch der Kaiserin mit der in tiefster Ehrfurcht ausgesprochenen Motivierung abzulehnen, daß es einem im Dienste Gottes stehenden Sänger nicht zieme, auf dem Theater zu erscheinen, doch lege er, um den möglich sich ergebenden Verlust einigermaßen zu ersetzen, 100 Dukaten in Gold für das katholisch geleitete Spital bei. Das war ein Präsident der Gemeinde in Wien vor 80 Jahren, als die Juden in Österreich noch unter mittelalterlichem Drucke lebten. Die Wirkung der prächtigen volltönenden Bariton-Stimme Salamon Sulzer's war aber nicht allein eine phonetische, sie wurde durch seine persönliche Erscheinung sympathisch unterstützt. Mittelgroßer und schlanker Gestalt, war sein ausdrucksvoller Kopf von schwarzen Haaren, die auf die Schultern fielen, umwallt, und seine unruhigen dunklen Augen leuchteten. Wenn er am Versöhnungstage mit weißem Gewande angethan , sang, mahnte er an den Hohenpriester im Tempel zu Jerusalem, und wieder, wenn er am Erinnerungstage des Falles der heiligen Stadt Jehovas auf den Stufen der Bundeslade sitzend die Trauerlieder gesenkten Hauptes klagend vortrug, schien er selbst der Prophet zu sein, der auf den Ruinen trauerte. Am mächtigsten aber war sein Gesang, wenn er an offenen Gräbern sang. Er zerschmetterte die Seelen der Trauernden; dabei erhob er bebend die Hände und blickte, wie den Himmel anklagend, empor. Sein Beten war ein Weinen, ein herzzerreißender Jammer, der künstlerisch mächtig, aber nicht Trost und Versöhnung bringend war. Es kam vor, daß anwesende um den Todten Trauernde ohnmächtig zusammenstürzten. Es lebte etwas vom Schauspieler in ihm. Im gesellschaftlichen Leben war er stets zu heiterem Gespräch aufgelegt, selbst voll Humor, seine Witze wurden fliegende Worte. Er liebte im außerdienstlichen Leben keine ceremonialen Gebräuche. Der Kaiser von Österreich und der Sultan von Konstantinopel schmückten ihn mit ihren Orden. Seine noch im Greisenalter lebhafte Erwartung, zum Ritter geschlagen zu werden, ging nicht in Erfüllung. Vielleicht war die zu lebhafte Betheiligung Sulzers an der Revolution des Jahres 1848 schuld daran. Von meiner behufs der Gründnung einer Schule unternommenen Reise nach Jerusalem im Jahre 1856 zurückgekehrt, brachte ich dem von mir stets bewunderten, verehrten Freunde und langjährigen Hausgenossen, weil der den Wunsch darnach geäußert hatte, Erde aus dem Thale Josafat mit. 'Sie wird mir,' sagte er lächlend, 'unter meinen Kopf gelegt, das Auferstehen leichter machen.' Zugleich mit der Erde brachte ich ihm einen Kranz von getrockneten Blumen mit, die auf den Gräbern der Könige und Dichter geblüht haben, und begleitete sich mit folgenden Distichen: Aus den Land, wo Zions heilige Sänger gesungen, Von meiner Pilgerfahrt bring' ich die Blumen ins Haus; Eingerahmt vom Aste des Ölbaums sind sie verwelkt schon, Trauernd, weil dem Kranz fehlte das würdige Haupt. Dir dem modernen Zionssänger, sei er gewidmet, Und es blühet vielleicht wieder der welkende auf. Noch einmal, an seinem 82. Geburtstage, richtete ich eine Verse an ihn, welche, wie die voranstehenden, bisher ungedruckt geblieben sind. Wenn du die 'Allmacht' singst, betont vom unsterblichen Meister, Welcher lange Jahre bei den Unsterblichen wohnt, Und wenn des Königs Psalmen von deinen Lippen erklangen, Schwangen die Herzen sich mit betend zum Himmel empor. Ruhen werden wir bald, die du begeistert, erhoben, Deines Namens Klang lebt dann als Echo noch fort. Mythisch wirft du sein, und uns beneidet die Nachwelt, Die den Wohlklang gehört, der in der Brust dir gewohnt. Es war ein kalter Wintermorgen am 17. Januar 1889 (sic!). Die schmale Seitenstettengasse, ehemals Katzensteig genannt, in Wien, füllte sich mit zahllosen Menschen, die des Leichenbegängnisses Sulzers harrten und nur dann auseinander gedrängt werden konnten, wenn immer wieder Männer und Frauen mit kostbaren Kränzen kamen, um sie dem Todten auf den Sarg zu legen. Dieser aber war nicht in der Wohnung aufgebahrt und man sagte mir, daß er im Tempel selbst zur Einsegnung bereit liege. Ich begab mich dahin. Die Säulen und die Bundeslade waren schwarz verhängt. Auf der obersten Stufe zu derselben ruhte der von schwarzem Tuch umhüllte Sarg des Hingeschiedenen, über ihm brannte die ewige Lampe. Niemand in dem weiten Raume: nur ich mit dem Todten allein. Mich ergriff eine tiefe Rührung, ihn jetzt so still, so verstummt für immer an der Stelle liegen zu sehen, wo er vor der Gemeinde die Thorarolle, diese pergamentene Siegesfahne Israels, ausbreitend hoch erhob und wie im Triumphe sang: 'Das ist die Thora!' Das mächtige Bild stand plötzlich lebendig vor meiner Seele; es hieß mich die Kniee beugen vor dem Sarge, und zu Thränen erschüttert, drückte ich zum Abschied meine Lippen auf denselben. Vor wenigen Monaten hat der Sohn Sulzers, ein Virtuosen-Cellist und Mitglied des kaiserlichen Operntheaters, den musikalischen Nachlaß seines Vaters veröffentlicht und dessen Biographie in Aussicht gestellt. Die Gemeinde hat ihrem Meistersänger ein weithin sichtbares Grabdenkmal errichten lassen, auf welchem wir nur die Anbringung einer griechischen Lyra für völlig ungeeignet halten, zumal die von einem Palmenzweig zu umwindende Davidsharfe das einzig richtige Symbol auf diesem Grabe gewesen wäre." | |
![]() | Erinnerungen an Salomon Sulzer. Von Ludwig August Frankl
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", 15. Januar 1891,
Teil 2 Erinnerungen an Salomon Sulzer. Von Ludwig August Frankl Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", 15. Januar 1891, Teil 2 | |
![]() | "Die geschichtliche Entwicklung des Synagogengesanges seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Von Oberkantor Wilhelm Heimann",
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung", 15. Juni 1930 "Die geschichtliche Entwicklung des Synagogengesanges seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Von Oberkantor Wilhelm Heimann (Augsburg). Fortsetzung und Schluss. Die Melodien dieser Heroen begeisterten alle Welt und ihre erhabenen Schöpfungen beflügelten auch die im Judentum vorhandenen musikalischen Kräfte zu künstlerischem Schaffen. Von deutschen Gemeinden nahm zuerst die unserer bayerischen Metropole die Umgestaltung ihres gottesdienstlichen Gesanges vor. Bereits 1839 erschienen in den von dem Lehrer Maier Cohn herausgegebenen ‚Münchener Gesängen’ die alten Melodien in moderner, musikalischer Form. Diese hauptsächlich in Süddeutschland verbreiteten Gesänge sollten aber nur die Vorläufer des bahnbrechenden Lebenswerkes eines modernen Kantors sein, der mit ihm alle im Synagogengesang begangenen Sünden getilgt hat. Der Name Salomon Sulzer bedeutet für den jüdischen Gottesdienst und den Träger desselben, den Kantor, ein hohes Ideal. Sulzer wurde 1804 in Hohenems geboren und starb 1890 in Wien. Der mit einer geradezu bezaubernden, göttlichen Stimme begnadete Sänger und Chasan hatte bei großen Meistern seine musikalische Ausbildung erhalten. Schon mit siebzehn Jahren als Kantor in seiner Vaterstadt Hohenems angestellt, wurde er im Alter von einundzwanzig Jahren zum ersten Kantor der bedeutenden Wiener Kultusgemeinde gewählt. Von Idealismus und heiliger Begeisterung für seinen Beruf erfüllt, erkannte Sulzer frühzeitig die Notwendigkeit einer Reorganisation des Synagogengesanges und bereits 1839 erschien der I. Teil seines monumentalen Werkes ‚Schir Zion’ (‚Lied Zions’), dessen II. Teil fünfundzwanzig Jahre später folgte. Sulzer hatte bei seinen Bestrebungen anfänglich keinen leichten Stand; denn es galt ja, wie er selbst in der Vorrede zum II. Teil des Schir Zion sagt, ‚einen Kampf gegen die Mächte der Gewohnheit, der ererbten Missbräuche und des Vorurteils aufzunehmen’. Aber mit rücksichtsloser Energie verfolgte er sein Ziel, den synagogalen Gesang auf edler Kunst aufzubauen. Die zeigt sich nicht nur bei der Wiedergabe der alten, traditionellen Melodien, die er in moderner Notenschrift möglichst getreu zu erhalten suchte, sondern auch in seinen eigenen Kompositionen, die ihn, vornehmlich in seinen gediegenen, kunstvollen Chören, als vollendeten Musiker zeigen. Sulzer hat einen synagogalen Musikstil geschaffen. Durch die Institution des modernen Synagogenchors, der in Wien selbst zu höher Blüte gelangte, hat er Ordnung in die Synagogen gebracht und damit eine Regelung des Gottesdienstes erzielt. Mit Sulzer hub die Blütezeit des Synagogengesanges an. Seine Tonschöpfungen kamen überall in der Welt in den Synagogen zum Erklingen und vor allem gaben sie vielen anderen begabten Kantoren Anregung, in seinem Geiste zu wirken und zu schaffen." | |
![]() | Todesanzeige für Salomon Sulzer, Januar 1890 Todesanzeige für Salomon Sulzer, Januar 1890 | |
![]() | Salomon Sulzer: "Klaget klaget! Salomon Sulzer: "Klaget klaget!" Worte von J.S. Tauber, Musik von Professor S. Sulzer. Gesungen am Grabe der gefallenen Heldenbrüder vom hiesigen Männergesangsverein, Wien | |
![]() | Salomon Sulzer: Shir Zion, 2. Teil Salomon Sulzer: Shir Zion, 2. Teil, mit handschriftlicher Widmung Sulzers an die Jüdische Gemeinde Hohenems | |
![]() | Begräbnis der Märzgefallenen, Wien, 17. März 1848 Begräbnis der Märzgefallenen, Wien, 17. März 1848 Salmomon Sulzer und Isaak Noah Mannheimer nehmen als jüdische Geistliche, gemeinsam mit einem katholischen Priester und einem protestantischen Pfarrer an dem Begräbnis auf dem Schmelzer Friedhof in Wien teil. | |
![]() | Huldigung an Salomon Sulzer, 1879 Huldigung an Salomon Sulzer, 1879; Ferdinand Tewele | |
![]() | Gedenkblätter Gedenkblätter. XX Gesänge für den israelitischen Gottesdienst für Solo (Cantor) Chor u. Orgel, componirt von Salomon Sulzer. Aus dem Nachlasse herausgegeben von Joseph Sulzer. Solospieler der kais. kön. Hofoper in Wien. Mit einem Anhange (Fünf israelitisch gottesdienstliche Gesänge von Josef Sulzer). k.u.k. Hofmusikalienhandlung Gustav Lewy. | |
![]() | Programm Gedenkkonzert 1904 Programm zum Gedenkkonzert für Salomon Sulzer, Temple Emanu-el, San Francisco, 23.3.1904, Cantor Edward Stark | |
![]() | Konzertplakat Plakat zu einem Konzert der Oklahoma University Music School, mit Musik von Salomon, Julius und Joseph Sulzer. 25. Januar 2015, Norman, Oklahoma | |
![]() | Ovationen für Sulzer
Die Presse, 4. August 1868 Ovationen der Tiroler für Professor Sulzer Die Presse, 4. August 1868 (Ovationen der Tiroler für Professor Sulzer.) Ein Tiroler Schütze schreibt uns: "Montag spielte die brave Innsbrucker Schützencapelle in dem Curpark in Baden vor einem überaus zahlreichen Publicum und wurde bei jeder einzelnen Piece mit Beifall überschüttet. Um 10 Uhr zog die Capelle wieder auf den Bahnhof, hielt aber vor der Wohnung des Herrn Professor Sulzer, um dem geehrten Landsmann ein Ständchen darzubringen. Nachdem das erste Stück zu Ende gespielt war, brachten die Tiroler ein feierliches Hoch aus 'dem berühmten Cantor, dem Ehren-Präsidenten des Tiroler und Vorarlberger Vereins, dem begeisterten priesterlichen Sänger, dem Kämpfer für wahre Humanität, und Brüderlichkeit dem gefeierten Tonkünstler von seinen Landsleuten'. Donnernd Vivats mengten sich in die Klänge der Musik. Der würdige Greis, dem die Thränen über die Wange liefen, erwiderte: 'Innigstgeliebte Landsleute! Ihr habt mich durch eure Ovation so sehr ausgezeichnet, daß ich diese Stunde als eine der glücklichsten meines vielbewegten lebens betrachte. Ich sehe darin eine Mainfestation, daß die Tiroler von heute, treu den Traditionen ihres Vaterlandes, immer gleich begeistert und innnig zu Kaiser und Vaterland halten. Dabei aber auch alle guten Menschen, weß Glaubens und Überzeugung sie auch immer sind, mit wahrhaft brüderlicher Liebe zu umfangen verstehen. Ich bin stolz und glücklich, ein Sohn dieses Landes zu sein; grüßet mir mein theures Heimatland und meine braven Landsleute, und sagt ihnen, der Jude Sulzer fühlt sich Eins mit seinen Landsleuten, und ruft gleich patriotisch mit ihnen, es lebe unser allergnädigster Kaiser und Herr!" Stürmische nicht endenwollende Hochrufe mischten sich nun in die Klänge der Volkshymne, die jetzt angestimmt ward. Ein von Sulzer ausgebrachtes Hoch auf die Musiker beantwortete die Capelle mit dem Siskra-Marsch. Der Professor küßte den Capellmeister und die Mitglieder der Capelle zu wiederholtenmalen und gab ihnen den Bruderkuß für alle Landsleute in die Heimat mit. Jubelnd zog nun die Capelle von einer unabsehbaren Menschenmenge begleitet, auf den Bahnhof, um noch den letzten Tag in Wien zu verleben. Mittwoch wird diese Capelle in der neuen Dreher'schen Bierhalle, Landstraße, Ungargasse, unter Mitwirkung der Regimentsmusik Hannover ihr Abschiedskonzert geben. Kriegsminister Kuhn und andere hochgestellte Personen haben ihr persönliches Erscheinen zugesagt, und so darf die wackere Capelle sicher einem zahlreichen Besuche entgegensehen. |
Grabsteine | ![]() | Grabmal für Salomon Sulzer und Josef Sulzer Grabmal für Salomon Sulzer und Josef Sulzer Grab-Standort: Tor 1, Gruppe 5 b, Reihe 1, Nr. 1 |
![]() | Grabmal für Salomon Sulzer und Josef Sulzer Grabmal für Salomon Sulzer und Josef Sulzer, Detail Foto: Peter Kraus | |
![]() | Grabmal für Salomon Sulzer und Josef Sulzer Grabmal für Salomon Sulzer und Josef Sulzer Foto: Peter Kraus Grab-Standort: Tor 1, Gruppe 5 b, Reihe 1, Nr. 1 |