Lebenslauf |
Moritz Schur wurde am 1. Januar 1860 als Sohn des Lederhändlers Nathan Johann Schur und seiner Frau Julie Debora, geborene Elbogen, in Nachod (Böhmen) in Tschechien geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters zog Moritz Schur mit seiner Mutter nach Prag, wo er die Handelsakademie absolvierte, und war danach kurze Zeit bei einer Zuckerfabrik in Prag, dann in der Getreidebranche tätig. 1882 heiratete er Jenny Mautner und trat in die Textilfabrik seines Schwiegervaters Isaac Mautner & Söhne in Nachod ein. Obwohl er dort bald eine führende Position einnahm, wollte er sich wegen Querelen selbständig machen und kaufte 1884 die von Philipp Winternitz 1859 in Märzdorf (Martínkovice) eingerichtete, jedoch heruntergekommene Leinenweberei, die er vorerst von Nachod aus leitete, bis er 1892 die Zentrale nach Wien verlegte.
Mit Hilfe tüchtiger Mitarbeiter konnte er bald Ware besserer Qualität, wie die begehrten Wassertuche, herstellen und mit Bosnischem Leinen u. a. auch das Wiener Großkaufhaus Herzmansky beliefern, sodass bereits ab Ende der 80er Jahre wesentliche Erweiterungen der Fabrik, später die Aufstellung von Jacquard-Webstühlen möglich wurden. Die in der Fimra hergestellten Produkte waren nicht nur qualitativ hochwertig, sondern auch äußerst vielfältig, neben gemusterten Modestoffen wurden unter anderem auch Filtertücher für die Zuckerindustrie und sogar „Pneumatikstoffe“ für die noch junge Autoindustrie hergestellt. Der Erste Weltkrieg erzwang Umstellungen in der Produktion, wie die Erzeugung von Zeltstoffen für die Armee, zuletzt sogar von Papierware, und brachte Rückschläge. Nach Aufbauarbeiten konnte die Weberei erst 1921 wieder ganz in Betrieb genommen werden; 1923 musste auf Kunstseideerzeugung umgestellt werden. Da der bereits in den 90er Jahren unternommene Versuch, in Märzdorf auch Seide zu verarbeiten, an geeigneten Fachkräften gescheitert war, hatte Moritz Schur 1899 in Mährisch-Trübau (Moravská T?ebová), wo schon eine Seidenindustrie bestand, eine Seidenfabrik errichtet. Die Fabrik wurde mit modernsten technischen Errungenschaften, wie etwa mit elektrischem Einzelantrieb für die Webstühle, ausgestattet. Um die verbreitete Abwerbung von Arbeitern zu unterbinden, ergriff Schur die Initiative zur Gründung des Trübauer Industriellenverbands, versuchte aber auch durch Wohlfahrtseinrichtungen die Arbeiter an seine Unternehmen zu binden. 1906 trat Johann, sein ältester Sohn, in die Fabrik ein, und es entwickelte sich eine gedeihliche Zusammenarbeit; besonders die in der Firma erzeugten Crêpes de Chine und Popeline fanden großen Anklang. Auch in diesem Unternehmen erzwang der Erste Weltkrieg Produktionsumstellungen, infolge des Zerfalls der Monarchie ging der Wiener Markt verloren, konnte jedoch erfolgreich durch den in Prag ersetzt werden. Noch vor Kriegsausbruch, 1913, hatte Schur die Baumwollfärberei Steinbrecher in Mährisch-Trübau erworben, einen großen, aber nicht mehr zeitgemäß ausgestatteten Betrieb, der sukzessive auf Seidenfärberei umgestellt wurde. Nach personellen Problemen in der Leitung trat Schurs Neffe und Schwiegersohn, Dr. Kurt Goldschmid, 1920 in den Betrieb ein. Im gleichen Jahr kaufte Schur die beiden Samtfabriken Reichert, strukturierte sie um und gründete die „Sammt- und Seiden-Weberei AG, vormals Rudolf Reichert & Söhne“, wo er sich mit 60% Anteilen auch die Position eines Präs. des Verwaltungsrats sicherte. 1919 waren auch seine Söhne Josef und Anton in das Unternehmen aufgenommen worden. Moritz Schur, ein weitblickender und äußerst angesehener Unternehmer, war auch Vizepräsident der Organisation der Tschechoslowakischen Seidenindustriellen. Moritz Schur starb am 12. April 1933 in Wien.
Sein Nachlass wurde 1936 seinen Kindern Josef und Anton Schur sowie Emmy, verehelichte Goldschmid, zugesprochen, jedoch wegen eines angemeldeten Konkurses nie übergeben. 1939 arisierte der damalige Direktor der Weberei in Märzdorf, Josef Schmidt, diesen Betrieb, der 1945 der „Nationalverwaltung“ unterstellt und 1947 den Východo?eske bavlná?ske zavody in Náchod eingegliedert wurde. Der 1949 von Haifa aus unternommene Versuch Josef Schurs, die Rückstellung der beiden Fabriken zu bewirken, blieb erfolglos. 1964 wurde die Weberei in Märzdorf aufgelöst.
Quelle: Österreichisches Biographisches Lexikon (http://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Schur_Moritz_1860_1933.xml)
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